Nach dem obligatorischen Frühstücks-Kaffe packten wir unseren Kram und fuhren weiter. Wir hätten spülen können, oder unser Wasser wegkippen können, denn die nächtste Wasserstelle lag nun in greifbarer Nähe: 10 km. Wir fuhren durch eine wunderschöne und überraschend vielfältige Landschaft und rasteten an der Ranges-View-Rest-Area, wo es auch mal wieder ein rostiges Auto-Wrack zu bestaunen gab. An Pflanzen findet man hier vor allem die grau-blauen Salzbüsche (Chenopods, dazu später mehr) und Western Myall-Bäume (Acacia papyrcarpa).


[Western Myalls haben wie Akazien, mit denen sie verwandt sind, keine Blätter. Die Blattstiele übernehmen hier die Assimilationsfunktion der Blätter und die „Blätter“ sind in Wahrheit gar keine Blätter, sondern Blatt-Stiel-Blätter („Phyllodiums“). Wie bei den auch in Deutschland heimischen Wegerichen. Die Phyllodien senken die Transpiration der Western Myalls. Außerdem können die Bäume mit ihren Wurzeln sehr tief gelegenes Wasser anzapfen und sie wachsen seeehr langsam. Western Myalls wachsen nämlich nur, wenn genug Wasser vorhanden ist. Also im Winter. Und so kann es vorkommen, dass nicht wenige der bis zu sieben Meter hohen Bäume so um die 1000 Jahre alt sein können.] Hin und wieder gibt es auch schöne Blumen in der Wüste. [Carpobrotos, die „Pigface-Blume“, überlebt hier wegen ihrer Sukkulenz.]

Doch wie überleben wir? Ohne Wasser? So viel wie man schwitzt kann man unmöglich trinken. Und unser Wasservorrat ist fast leer. Zwei Wassertanks, die wir angsteuert haben: Leer. Glücklicherweise trifft man hier haufenweise Australier, die mit Caravans unterwegs sind, hilfsbereit sind, und in der Regel Wasser für dumme, deutsche Touristen dabei haben.
Der Hitze entfliehend und Schatten suchend bin ich mal wieder vorgefahren um Marcus, der mit seinem Rad zu kämpfen hat – aber auch mit der Hitze irgendwie besser klar kommt – am Rastplatz zu treffen. Durstig laufe ich umher und frage den erst besten Australier nach Wasser. Hier haben wir gleich ein perfektes Beispiel für die australische Grund-Freundlichkeit: Jeffrey drückt mir direkt eine Flasche eiskaltes Wasser in die Hand. Während er einen Camping-Stuhl im Schatten seines Caravans aufbaut, auf den ich mich setzen soll, fragt mich seine Frau, ob ich gerne einen Tee trinken möchte. Na klar! Aber erstmal gibt es (neben dem Wasser, das ich schon halb ausgetrunken habe) ein grünes, ebenfalls kaltes, isotonisches Getränk. Anschließend Tee. Mit einem Stück selbstgebackenem Kürbiskuchen. Sooo lecker!:) Komplett glücklich und hydriert, mache ich mir allerdings Sorgen um Marcus, der auf der Suche nach Wasserhähnen an der Pipline ist. Erfolglos. Wir verständigen uns per Telegram, was hier echt gut funktioniert, aber so lange kann das doch nicht dauern. Jeffrey möchte gerade losfahren um Marcus zu suchen, als er den Rastplatz erreicht. Die beiden Australier lassen uns nicht gehen, ehe sie unsere gesammten Wasservorräte aufgefüllt haben.
Auf geht‘s, ohne Wasser-Sorgen, aber mit Mittagshitze. Während ich noch schnell Fotos mache fährt Marcus schon mal vor. Theoretisch hätte ich ihn schnell einholen können. Aber diese unfassbare Hitze, dieser heiße Wind, die s****ß Sonne auf dem Schädel. Ich sehe bald alles verschwommen, bin am zittern, mir ist kalt. Und heiß. Und doch habe ich Gänsehaut. Ich kann nicht mehr. 20 km sind nichts, doch 20 km in der australischen Mittagssonne sind die Hölle. Zumindest für mich. Als ich Marcus, der auf mich wartet, endlich erreiche, bin ich komplett am A****. Wir schieben die Fahrräder die Straße runter, irgendwie in ein Gebüsch, und ich verkrieche mich in einer Röhre unter der Straße. Schnell die Isomatte ausgebreitet, Klaustrophobie und Archnophobie vergessen und den Schatten genießen. Zu lesen gibt es aufgeweichte, vergilbte und verklebte Porn-Hefte von irgendeinem Trucker. Was für ein Schwachsinn! 😀
Als es mir besser geht, besuche ich Marcus unter seinem halb-schattigen Baum und wir kochen Pilzsuppe. Schön, dass wir beide Tüten-Suppen hassen. Und schön, dass ich überhaupt nicht kochen kann und die Suppe viel zu dünn-flüssig ist.
Nach der Mittagshitze fahren wir weiter. Leider gibt es in der Gegend, in der wir uns gerade befinden, nicht so viele Bäume. Und wir lieben Bäume, also ein Schlafplatz ohne Bäume ist keine Option. Bäume bieten schließlich nicht nur Schutz vor Sonne, sondern auch Schutz vor Blicken. Die Sonne geht unter. Ein netter Australier hält und fragt uns, ob wir Wasser und Klopapier brauchen und empfiehlt uns einen Schlafplatz an einer Querstraße im Gebüsch, wo er auch schon mal geschlafen hat. Mit mehr als genug Wasser fahren wir genau da hinn, kochen, werden müde. Marcus legt sich schlafen und ich bleibe noch draußen – weil ich noch nicht müde bin und die Natur genießen möchte. Bis da auf einmal eine Bierdeckel-große Spinne an unserm Zelt vorbei läuft. Mein panischer Schrei weckt Marcus, und ich krieche durch den Hintereingang ins Zelt. Hier sind wir sicher.



































